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Neuauflage von
Stelzhamer-Erstdrucken



Ein Beitrag aus dem Ennser Museum Lauriacum
von Herbert Kneifel

Franz Stelzhamers Briefe aus München
an C. A. Kaltenbrunner

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Stelzhamer
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Originalbrief Stelzhamers
Originalbrief Franz Stelzhamers, München, 13.2.1854.
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Der Beitrag von Dr. Herbert Kneifel erschien in "Oberösterreichische Heimatblätter" - 56. Jg.; Heft 3/4 - 2002.


Soweit es in den Kräften des Stelzhamerbundes liegt, wird nichts versäumt werden, was zur Aufhellung und Würdigung von Stelzhamers Werken beizutragen und dessen Einbürgerung in die weitesten Kreise zu fördern geeignet ist. (1)
Unter den autographischen Schätzen verwahrt das Museum Lauriacum in Enns drei Originalbriefe Franz Stelzhamers, die er in höchsten Nöten aus München an seinen "Freund" Carl Adam Kaltenbrunner in Wien schrieb. Sie befinden sich im Nachlass Kaltenbrunners (geboren 1804 in Enns, gestorben 1867 in Wien). (2)
Adresse und Stempel

Bild: Postadresse, abgestempelt in München und Wien.




Stelzhamer weilte 1854 in München, wo er im Gasthaus "zur Blauen Traube" Quartier bezog, von dort aber aus Kostengründen in die Müllerstraße Nr. 35 in Untermiete übersiedeln musste. (3) In München hoffte er auf Förderung durch Herzog Maximilian von Bayern, der ihn 1846 mit der goldenen Medaille für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet hatte, eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Ein zweiter Grund seines Aufenthaltes in der bayerischen Hauptstadt waren die Verhandlungen mit dem Verlag Cotta in Stuttgart, von dem er sich die Herausgabe des "Liebesgürtels", einer Sammlung hochdeutscher und mundartlicher Lyrik, erwartete. Aber viele kritische Anmerkungen an Vers und Reim forderten zeitraubende Überarbeitungen.
(4) Darüber hinaus zwang ein Aufenthalt in Stuttgart dazu, dass verschiedene Wertgegenstände – Uhr, Ring, Brosche und Krawattennadeln – ins Versatzamt wandern mussten (5), weil es an Bargeld fehlte. Der Vertrag zwischen Franz Stelzhamer und der J. G. Cotta'schen Buchhandlung wegen Drucklegung des Gedichtbandes "Liebesgürtel" wurde am 25. September 1854 abgeschlossen.

Die genannten Briefe, die Stelzhamer an Kaltenbrunner schrieb, tragen das Datum München, 13. Feber 1854, München, 6. März 1854 und München, 29. März 1854. Jeder der drei Briefbogen hat das Format 228 x 170 mm. Die Adresse lautet:
Herrn C. A. Kaltenbrunner Direkt. Adjunkt der Kais. Hof. und Staats-Druckerei in Wien. Am Brief vom 13. Februar 1854 ist Stelzhamers Siegel (?) erhalten. Aufgedruckt ist der Poststempel München 15. Feb. 1854 und der Rundstempel Wien 16. Feb. l E.

Kaltenbrunner war damals als fix besoldeter Staatsbeamter in Wien tätig und in literarischen Zirkeln und künstlerischen Kreisen ein angesehenes Mitglied und anerkannter Gesellschafter. Von ihm erwartete sich Stelzhamer wirkungsvolle Vorsprachen und Erfolg versprechende Vermittlungen bei Verlegern, Redaktionen und Druckereien. Zwischen den Zeilen ist auch der stille Wunsch um Bargeldvorschuss herauszulesen. "Aber" – schreibt Stelzhamer – "von den Herausgebern ist ein Lump wie der andere. (6) Ich habe ein Manuskript nach Augsburg an eine neue Zeitschrift&Mac226;Unterhaltungen am häuslichen Herd‘ geschickt. Keine Antwort, viel wenige Geld. Auch die Wiener lassen mich hängen! Was ist denn mit dem ,Familienbuch'?
Hat es mein Märchen angenommen oder ist es nur so gütig, dasselbe eine Weile beiseite liegen zu lassen? Meinen Aufsatz&Mac226;Obderenns' kann I. G. Seidl für die Aurora nicht brauchen. Das Märchen ,Die 3 Boten' geht als ganz passender Beitrag an Seidl, wenn Sie ohne Aufschub vermitteln und dann wird er auch nicht anstehen, mein Deputat zu schicken. Auch sollten Sie, Verehrtester, mit dem beigelegten Zettelchen in persona zu Saphir gehen, ach ... ich von dem guten Humoristen in Ewigkeit mein Honorar nicht."

In seinem Brief vom 6. März 1854 gibt Stelzhamer dann selbstkritisch zu, warum er immer in solcher Not und in Bedrängnis ist. "Sehen Sie" – schreibt er wörtlich –, "das ist so einfach wie das: Ich habe trotz meines unverdrossenen Fleißes gar kein bestimmtes Einkommen, aber, wie jeder Mensch ein Familienverhältnis, lauter bestimmte Ausgaben, tägliche Erhaltung, monatlichen Zins e. c, da liegt der Hund begraben. Wann mir also was so gern ja meistens geschieht, irgendeine Last-, auf die ich ... zur bestimmten Zeit nicht eingeht, so sitz ich wieder in der Patsch. (7)
Seidl hat mir schon nach Ihrem Unglücksbrief mein jährliches Deputat von seiner Aurora geschickt, ich konnte noch meine Zinsleistung prästieren (?) aber siehe da, das Monat ist bald wieder herum, ich muß abermals Logis und Kost, die ich mir auch ... zusamenkomen lassen, bezahlen." Wieder bedrängt er "Freund" Kaltenbrunner, dass er bei Saphir vorstellig werden möge und dort Freund Kapfer torquieren, zwicken und kneippen soll, weil er - Stelzhamer - am 15. wieder zahlungspflichtig ist.

Stelzhamers Biograph Hans Commenda sieht die wirtschaftlich katastrophale Lage des Piesenhamers im eigenen Unvermögen und meint, dass ihm als echtem Stimmungs- und Augenblicksmenschen jedes wirtschaftliche Denken, Planen, Rechnen und Sparen nicht bloß fehlt, sondern geradezu zeitlebens versagt bleibt.
Am 9. Juni 1850 schreibt Stelzhamer an seine erste Frau Barbara: "Ist auch kein Wunder bei meiner Unerfahrenheit und Untüchtigkeit auf dem Marktplatz des Lebens", und in einem Brief an die gleiche Adresse bekennt er: "Warum nehmen Sie sich kein Privatquartier, sagen die Leute; ja, nimm dir eins, wenn du mit völlig nichts ankommst oder zieh aus, wenn du bereits völlig in der Schuld steckst!" (8)

Sogenannte "Geschäftsreisen", wie er seine Vortragsreisen nannte, gingen flau, wenig Besucher, wenig finanzielles Erträgnis. So soll es auch auf seiner Rundfahrt von Linz nach Enns, Perg, Grein, Amstetten, Waidhofen an der Ybbs, Weyer und zurück nach Linz gewesen sein; Pränumeranten und Subskribenten wollten nicht anbeißen und Besucher kamen nur zögernd zu den Vorlesungen. (9)

Auf den Notschrei seiner Gattin, die mit dem Kind in Ried i. I. lebte und verzweifelt war, antwortet Stelzhamer am 31. Juli 1851 aus Wien: "Dein Mann, der dich über alles liebt und schätzt – Geld habe ich zur Stunde noch keines, aber, aber ich hoffe!" (10) Die Neigung zu Sentimentalität und Schwermut kam bei einem Besuch Stelzhamers in Enns zum Ausdruck. Er schreibt am 18. September 1842 aus Enns an seine spätere Frau Betty Reyß: "Gestern nachts hatten wir hier eine besondere Feierlichkeit. Die Stadt beehrte Kaltenbrunner, den du kennst, mit dem Ehrenbürgerdiplom. Natürlich war meine zufällige Anwesenheit ein gefundener Handel.
Ich unterhielt mich auch selbst dabei recht gut, aber heute bin ich düster und schwermütig aufgestanden. – Wann und wo wird mir eine ähnliche Ehre zuteil werden? – Ach Betty!" (11) Enttäuscht fühlte er sich von seiner Heimat. Von den Vortragsreisen, die sich im Ausland lohnten, schreibt er: "Sonderbar! In der harten, steinigen Fremde musst du deinen Ruhm anbauen, in der lieben sonst so fruchtbaren Heimat wächst und gedeiht er nicht." Am 16. Mai 1855 fuhr Franz Stelzhamer mit völlig leerem Geldbeutel in der Stadt Salzburg ein – dreieinhalb Jahre hatte er im Ausland gelebt, letzt war er ärmer als je zuvor. (12)


(1) Dr. Anton Matosch, "Franz Stelzhamers mundartliche Dichtungen", 2. Band, Linz 1899/1900, Selbstverlag des Stelzhamerbundes, Vorwort.

(2) Museumsarchiv Enns, Nachlass C. A. Kaltenbrunner, Seh. I.

(3) Hans Commenda, "Franz Stelzhamer", OÖ. Landesverlag 1853, S. 238

(4) Karl Pömer, "Kotzengrob und Batzwoach, Franz Stelzhamer – Leben und Werk", Ried i. I. 2002, S. 77

(5) Brief, München, 6. März 1854

(6) Ebenda

(7) Ebenda

(8) Commenda, S. 196

(9) Derselbe, S. 218

(10) Derselbe, S. 116

(11) Pömer, S. 60

(12) Franz Stelzhamers Leben" in: Stelzhamerbund-Mitteilungen Nr. I0I/I992, S. 22.

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