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Stelzhamer-Erstdrucken

 

Kons.Dir. Karlheinz Sandner:

laudo, laudas, laudat ...
J. M. Stowasser zum 150. Geburtstag

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Kons.Dir.Karlheinz Sandner ist Obfrau-Stellvertreter im Stelzhamerbund.


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Artikel zu Franz Stelzhamer

Ludwig Laher
Ein Artikel von
Herrn Kons. Dir. Karlheinz Sandner


Wer in seinem Leben einmal Latein gelernt hat, wird sich erinnern, dass man für Übersetzungen ein Latein-Wörterbuch, "den Stowasser", benötigt. Ob mit Begeisterung verwendet, sei dahingestellt.
Auch wenn ich in meiner Schulzeit nicht zu seinen glühenden Verehrern zählte, so will ich diesem verdienten Altphilologen Dr. Josef Maria Stowasser anlässlich seines 150. Geburtstages diesen Artikel widmen. Hat er sich doch in seinem Leben nebst Griechisch und Latein auch in lustiger, interessanter Weise mit oö. Mundart beschäftigt, wobei er sich dabei immer wieder als Verehrer Franz Stelzhamers und anderer oö. Mundartdichter zeigte.
Kaum jemand wird wissen, dass der Altphilologe auch am Gymnasium in Freistadt tätig war.

Dr. Josef Maria Stowasser wurde am 10. März 1854 in Troppau (Tschechien) geboren und besuchte dort das Gymnasium. An der Universität in Wien erwarb er 1879 die Lehrbefähigung für klassische Philologie. Der junge Dr. phil. war anschließend bis 1882 "Supplent" am Staatsgymnasium in Wien IX. Schließlich wurde – und damit sei der Bezug zu Oberösterreich hergestellt - in Freistadt "mit U.-M.-Erl. v. 28. Aug. 1882, die (...) Lehrstelle dem Supplenten am k. k. Staatsgymnasium Wien, Josef Stowasser, verliehen".

Der Professor war seit seiner Jugend wissenschaftlich tätig, was dazu führte, dass er für das Schuljahr 1884/85 "zum Betriebe philologischer Studien in Italien" beurlaubt wurde. Kaum zurückgekehrt wurde Stowasser eine Lehrstelle am Franz Josefs-Staatsgymnasium in Wien I. verliehen, wo er bis 31. August 1908 wirkte. Nur drei Jahre konnte sich Josef Maria Stowasser seiner Pension erfreuen. Er starb am 24. März 1910 in Wien, wo er am Zentralfriedhof begraben liegt.
Professor Stowasser wurde als ein sehr umgänglicher Lehrer geschildert, der seine Schüler begeistern und motivieren konnte. Der berufliche Abgang nach drei Dienstjahren wurde in der Chronik des Gymnasiums Freistadt bedauert: "Mit Prof. Stowasser, der im August 1882 an das hiesige Gymnasium ernannt worden war, schied von uns ein Lehrer von hervorragender fachlicher Tüchtigkeit und umfassendem Wissen."

Lest im Mühlviertel
Zeitlebens fühlte sich Dr. Stowasser Oberösterreich und dessen Bewohnern besonders verbunden. Nicht zuletzt deshalb, weil die Vorfahren seiner Frau im Innviertel beheimatet waren. Besonders groß war stets seine Liebe zu Freistadt und seiner Umgebung. Manchen Sommer verbrachte er hier und fühlte sich sehr wohl.
Er hat auch hier an seinem Latein-Wörterbuch gearbeitet. So ist das Vorwort zur 1. Auflage mit "Lest im Mühlviertel, den 18. August 1893" datiert (Lest liegt in der Gemeinde Kefermarkt).
"Der Stowasser" wurde 1994 neu bearbeitet, den Umschlag dazu gestaltete der Künstler Friedensreich Hundertwasser, ein Nachfahre des Altphilologen. Der Künstler wurde als Friedrich Stowasser geboren. Im Jahr 1949 nahm er den Künstlernamen Hundertwasser an.
Dr. J. M. Stowasser hat sich einen hochangesehenen Namen als Gelehrter erworben. Neben seinem Wörterbuch übersetzte er u. a. in zwei Bänden "Griechenlyrik" und "Römerlyrik" (1909), übertrug griechische Epigram-me – gleichsam als Hobby - in oberösterreichische Mundart und umgekehrt oö. Gstanzln ins Griechische ("Griechische Schnadahüpfeln", 1903 ).
Daraus möchte ich Ihnen einige Kostproben seiner Umdichtungen servieren. Ich hoffe, auch zum Spaß jener, die (noch) Griechisch lesen können (wollen).

Distichon - Vierzeiler
Dr. Stowasser vertrat die Ansicht, dass dem griechischen "Zweizeiligen" (Distichon) bei uns das "Vierzeilige" völlig entspräche, "da jede Langzeile des Distichon durch eine Cäsur in zwei Halbzeilen zerfällt, sodass das Disti-chon tatsächlich vierzeilig sei".

Dr. Stowasser meint weiter:
"Das Griechische braucht für den gleichen Gedanken (bei den breit auslegenden Wörtern der griechischen Sprache) meist, ja fast stets und ausnahmslos den doppelten Raum gegenüber dem Deutschen.
Dem Griechen war das Distichon als altbewährte, offenbar durch alte Melodie getragene konventionelle Form der indogermanischen Langzeile zu-nächst volkstümlich, sangbar und ein bequemes Ausdrucksmittel für alles, was in der kleinen Lyrik ihren Ausdruck finden kann: Liebe und Hass, Spott und Klage, fromme Gedanken und wüste Zoten (...). Für das alles hat sich das Distichon rühmlich bewährt".

Auch unsere Vierzeiler seien das "passende Vehikel zum Ausdruck jeglicher Stimmung und Empfindung, in ihnen offenbart sich die poetische Kraft des Volkes. Man muß durchs Land gezogen sein von einer Schenke zur anderen – ‘Wanderstab, Wunderstab’ sagt der unvergleichliche Stelzhamer – man muß verständnisvoll dem Volksgesange gelauscht haben, um das ganz zu begreifen; im städtischen Hotel wächst das freilich nicht. Wer heute volkstümliche Wirkung erstrebt, der muß in den Dialekt flüchten."

"Das sind einfache Gedanken, die mich zur völligen Gleichstellung von Distichon und Schnadahüpfl führen. Ich gehe vom Deutschen aus: Will ich beweisen, daß Lukillios oder Rufinus sich für uns in Stelzhamers Ideenwelt überführen läßt, so muß ich zuerst das Gegenteil erweisen und unsere volksmäßigen Vierzeiligen müssen unverkümmert wiederklingen im griechischen Distichon."

"Die ganze Frage , mit der ich mich hier beschäftige, trat mir 1895 vor die Seele, als ich in den Ferien einmal in Steyr weilte. Dort, in einem Biergarten an der Enns, hatte ich den Gstanzeln dreier Ennstaler Jäger gelauscht, und auf der Heimfahrt ins Mühlviertel summte mir mit den Liedern auch die Frage im Kopf, in welcher Stilart derlei griechisch zu übertragen sei. Und während der Zug durchs Machland im Aisttal hinauffuhr, fügte sich das erste dieser Gstanzeln hellenischem Rhythmus so" :
Da Adam hat d`Liab aufbracht,
Da Noah in Wein,
Da Dovidl `s Zidanschlagn –
Kinntn Steyra gwen sein!

Ein weiteres Beispiel, das Stowasser als Stelzhamer-Kenner ausweist:
A lustigö Aicht
Hat da Herrgott selm gweicht,
Selm gweicht und selm gsegnt:
Ruck ön Huat, wanns da gögnt.

Diese Proben beweisen laut Stowasser, dass die Überführung unserer Vierzeiler in Distichen ganz ohne "Gewaltsamkeit" vor sich gehen konnte.

Vom Griechischen über die wörtliche Übersetzung
zur oberösterreichischen Mundart

Dr. Stowasser war sich sicher, bei der Umdichtung griechischer Epigramme dem distichischen Text in Schnadahüpflform zu begegnen. "Es müsse einzig und alleine der Gedanke übrig bleiben, verschwinden muß die fremde Form; dann wird die Übersetzung anmuten wie ein Original".

Beginnen wir mit Lukillius zieht einen Historienmaler auf (A.P.XI 214):
Zuerst die wörtliche Übersetzung, (von Fridrich Voss):
Einen Deukalion hast du gemalt,
einen Phaethon, Menon!
Und nun fragst du mit Recht, was
einem jeden gebührt.
Jedem das Seine! Ich mein` tatsäch
lich ins Feuer gehörte
Phaethon, jener indes sollte ins
Wasser hinein.

"Das Original war sicherlich sangbar, war volksmäßig, die Übersetzung ist beides nicht!
Welche Vorstellungen verbindet der philologisch Nichtgeschulte mit den Namen? Keine."
Also ließ Stowasser die fremde Form beiseite und ließ einzig den Gedanken sehr volkstümlich weiterleben - in oö. Mundart:

Da Krumpmüllna z`Linz
Hat oan Florian gmalt
Und in Lorenz am Rost
Wo `s Feir doni strahlt,
Ja was tan mit dö Bildln?
Mein, a Teppata kennt`s:
Ins Feir ghert da Lorenz,
Da Florian in d`Enns!

Etwas ganz Zärtliches aus Griechenland importiert mit Plato V, 78:
Als ich dich küsste, Geliebte, da trat
mir die Seel` auf die Lippen!
`s kam ja die Arme, um ganz in dich
hinüber zu gehen.

Wenn mi d` Nandl abbußt,
Steigt ma `s Herz aus da Brust;
Zu dir möchte `s gern umma,
Das war` eahm sei Lust

Noch ein Beispiel ohne wörtliche Übertragung, "da sich die Methode derartiger Überführung erprobt hat":

Homer-Marterl ( VII,2 ):
"Zwischen Enns und Inn kennt das Volk den Homer nicht. Aber einen kennt es dort, den größten Lyriker österreichischer Zunge, den freilich unser bildungsdünkeliges Publikum nicht liest.
Ihm zu Ehren übersetze ich so":

`s netta a kloans Hügerl;
Aba geh nöt vobei,
Leg a Bleamerl ins Gras,
Bet an Aichtl dabei!
Denn a starks Herz vo Gold,
Volla Liadln a Mund,
Da Franzl vo Piesenham
Is da eingrabn in Grund!

Eine originelle Umdichtung alleine
Aus einem Text von Philodemus V, 115. macht Dr. Stowasser ..

Mein` Ersti is d`Mirl
Vo Harrachstal gwen.
Mei Zweiti war vo Sandl
Ar a Mirl – aba schen!
Dö Dritti war d`Mirl
Vo Roanbach, `s is wahr.
Dö Vierti hoaßt Mirl
Aus da Freistäda Pfarr.
Ja `s is so mei Gschick,
Daß i lauta Mirln find,
Weil s` mi Sepp und Marie taft
Habnt als a kloans Kind.

Stowasser muss sich rund um Freistadt gut ausgekannt haben!
Der Literaturhistoriker Eduard Castle schreibt sehr treffend über Stowasser: "Die drei Jahre, die Stowasser in Freistadt verlebte, brachten ihn in nahe Berührung mit dem oberösterreichischen Landvolk und seiner Art. Hier lernte er, der für alles Schöne und Gute empfänglich war, Stelzhamers mundartliche Dichtung verstehn und bewundern. Er ward aus dem Schlesier ganz und gar ein Oberösterreicher, so daß er mit einer gewissen Virtuosität Gedichte der griechischen Anthologie in oberösterreichische Gstanzeln und oberösterreichische Gstanzeln in altgriechische Verse übertrug ( Griechische Schnadahüpfeln, Wien 1903 ).
Was er damit dartun wollte, war, daß es neben der wort-, form- und stilgetreuen Übersetzungskunst der Voßischen Schule auch eine stimmungs- und gehaltgetreue geben könne, die nicht die äußere, sondern die innere Form übernimmt."

Rückblickend wendet sich der große Altphilologe in seinen "Griechische Schnadahüpfeln" "an jene, die als meine Schüler schon vor Jahren, besonders im deutschen Unterricht aus
meinem Munde dieserlei Gedanken gehört haben. Mögen sie sich dessen
stets erinnern, was ich ihnen tausendmal gepredigt habe und was ich kurz zusammenfassen kann in den Versen":
In da Schul rödt`s schen deitsch,
Wia `s da Lehra gern hätt;
Aba wenn ös dahoam seids,
Aft rödt`s – wia ma rödt.
Mitn Volk seina Röd, Buabn,
Treibt `s ma koan Scherz;
Wer dö Baunleut vasteht,
Hat a doppeltes Herz.

Zum Schluss möchte ich Dr. Stowasser noch mit einem Gedicht als Lehrer für Griechisch - Latein – Deutsch erleben lassen:
Haec postquam cecini, citharam mihi fregit Apollo.
Conticuere simul cantica: finis erat.

A so han i gsunga
Schen stad bei da Nacht,
Da hat si af oamal
Mei Türl aufgmacht!
Is da Gankerl kemma,
Hat ma d`Cidan vabrennt.
No so hat halt dös Gstanzlwer
Deant no a End.

Quellenangaben:
J.M. Stowasser, Griechische Schnadahüpfeln, Proben zwiesprachiger Umdichtung, 1903
J.M. Stowasser, Griechenlyrik in deutsche Verse übertragen
J.M. Stowasser, Römerlyrik in deutsche Verse übertragen
Harry Slapnitzka, Berühmte Persönlichkeiten aus dem Mühlviertel und dem Böhmerwald
Der kleine Stowasser, Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch
Jahresberichte des Gymnasiums Freistadt
Castle Eduard, Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte, Dritter Band, 1848-1890


Artikel aus EuroJournal Linz - Mühlviertel - Böhmerwald 2004 / Heft 1