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Neuauflage von
Stelzhamer-Erstdrucken


Harald Gruber
Norbert Hanrieder kam wieder in seine Stube

Das Mühlviertel - Land und Leute,
Wind und Wetter, Geschichte und Geschichten.

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Norbert Hanrieder (1842 - 1913)
Essay von H. Gruber

Hanrieder Texte:
Rohrbáh • Petrus áf’n Wochámarkt • Dá Fünfávierzgá! • À Gebitt in unsán Herrn!

Artikel zu Franz Stelzhamer



Essay von Harald Gruber
Bericht aus dem "Mühlviertel Volksblatt",
S. 26-27, vom 3. Juni 2004.
Foto: Andreas Röbl.


Er rückt die Nickelbrille auf seiner
Nase zurecht. Dann pustet er über das
gefundene Blatt Papier. Die Tinte ist
verblasst, das Papier vergilbt. Doch:
Das Reimwerk ist noch lesbar. Der
Mundartdichter Norbert Hanrieder
(geb. 1842; gest. 1913) ist zurück in
seiner Pfarrhaus-Stube Putzleinsdorf –
sagen wir – um seine gereimten
Liebeserklärungen an das Mühlviertel
dem Praxistest 2004 zu unterziehen. Würde er
jetzt nach 50 Jahren viel umschreiben müssen,
oder ist die Region zwischen Böhmerwald
und Donau, Bayem und NÖ weiter eine "Mustagegnd"?

Zerst richtat i's Landl
Füm Gsund amal ei;
Sei Luft müaßat rein
Wiar in Himml drin sei.

A Wasserl, so klar,
Daß ma d'Engl kinat badn,
Und gschmachi und frisch,
Daß mas Weinl kinat gratn.

Ja, durch reine Luft und reines Wasser zeichnen sich die 3082 Quadratkilometer Mühlviertel weiterhin aus: 1 Mikrogramm Schwefeldioxid pro Kubikmeter, 6 Mikrogramm in der Stadt Linz (Grenzwert: 120); 6 Mikroramm Stickstoff-Dioxid, 34 in der Stadt Linz (Grenzwert: 150). Sorgenkind im Mühlviertel ist aber das Ozon, dessen Grenzwert im Jahresschnitt zu mehr als der Hälfte erreicht wurde, an manchen Tagen im Sommer überschritten wird. Aus den Mühlviertler Quellen sprudelt weiches Wasser (unter 8 Härtegrade). Im Eferdinger Becken und im Machland liegt der Härtegrad teils um die 30. Er ist nicht nur weich, sondem auch rein, der Mühlviertler Quell. Deutlich weniger Düngemittel-Rückstände (unter 30 Milligramm Nitrat) als im Eferdinger Becken (30-45 Milligramm), der Traun-Enns-Platte (über 45 Milligramm) oder im Machland (45 Milligramm).

,Na, na", schüttelt Norbert Hanrieder beim Weiterlesen seiner "Mustagegnd" plötzlich den Kopf. "Da muaß i was umschreibn. Des stimmt nimma", denkt er sich, als seine Augen über folgende Zeilen stolpern.

I machats a so,
Daß da Grund was tragt,
Ava just für an Baurn,
Der si rechtschaffm plagt.

Ja, plagen müssen sich die Landwirte auf den Hügeln des Mühlviertels noch immer mehr als anderswo. Der wirtschaftlich nötige Ertrag wurde für viele Bauem über die Jahre von der Gewissheit zur Hoffnung, schließlich zur Illusion. Mehr als 3000 Mühlviertler Bauern haben seit 1990 aufgegeben. Knapp 13.700 Höfe gibt es noch – 7991 davon im Nebenerwerb geführt. 52 Prozent der Mühlviertler Betriebe haben weniger als 5 Hektar - und das bei zunehmendem Wettbewerb in der EU!? Fast mitleidig schreibt Waltraud Meyer-Kriechbaum unter dem Titel "Das Mühlviertel – eine fast vergessene Landschaft": "Eine ganze Familie ist von den paar Kühen, Schweinen und Hühnern nicht zu ernähren. So fährt der Mann nach Linz in die voest oder Chemie und nach der Schicht geht es in den Stall oder aufs Feld."

Viel Leitn und Hübl,
Viel Gstöttn und Stoa
Luaß i stehn und viel Wald,
Denn da gabs do was ztoa.

Das Mühlviertel. Vielleicht eine "fast vergessene Landschaft", aber sicher keine Landschaft zum Vergessen! Die "Leitn", "Hübln", "Gstettn" und "Stoa" prägen das Gesicht der Landschaft – zumindest dort, wo diese den Traktoren, Pflügen und Planierraupen überlegen waren und sind.

Berg machat i gmua,
Ava lassats ban Ziel;
Es braucht koan Traunstoa,
koan Dachstoa, koan Priel.

Selbst der Eiserne Vorhang im Norden konnte ein in Jahrmillionen Erdgeschichte geschaffenes Faktum nicht überwinden: Böhmen und das Mühlviertel gehören seit jeher geologisch zusammen. Sie bilden die südlichen Ausläufer der Granitplatte mit Namen Böhmische Masse. Nur die Oberfläche wurde durch die Gletscher der Eiszeit abgerieben, sodass als höchste Erhebung des Mühlviertels der Plöckenstein mit 1379 Metem Höhe übrig blieb.
Die ersten Spuren menschlicher Besiedelung reichen zurück in die Hallstattzeit (800–480 v. Chr.). In Mitterkirchen wurde ein Gräberfeld aus der Zeit um 700 v. Chr. freigelegt. Noch zur Römerzeit war das Mühlviertel ein dunkler, kaum bewohnter Urwald. Im 6. Jahrhundert nach Christus siedelten sich Slawen in der Gegend an. Urbar wurde der Landstrich aber erst durch die Arbeit der Mönche von Schlägl, Hohenfurt (Böhmen) und Goldenkron (Böhmen).

I bi scha balferti,
brauch für mei Gegnd
just oas nu: Dass d´Leut
unsa Herrgottfest segnt.

Daß s` treu san und brav
Und was aushaltn a;
Denn dort passat neambd,
der va Lebzetn wa.

Heute leben in den Bezirken Rohrbach, Urfahr-Umgebung, Perg und Freistadt in Summe 263.614 Menschen. Ein Fünftel ist jünger als 15, ein Fünftel ist älter als 60. Überdurchschnittlich ist die Quote derer, die nur Pflichtschulausbildung haben, unterdurchschnittlich die Akademikerquote. Mit zwei Kindem pro Familie liegen Rohrbach und Freistadt über dem Landesschnitt (1,8; Stadt Linz: 1,5).

Gottesmänner aus den Klöstern rodeten einst die Wälder, legten die Sümpfe trocken, gewannen damit Ackerland. Die Landschaft wurde gezähmt, das Klima blieb aber rau.

Der wärmste Bereich Oberösterreichs ist das Linzer Becken (Durchschnittstemperatur 9 Grad). Das Mühlviertel erreicht einen Schnitt von oft nicht einmal 6 Grad. Und das will was heißen. Sommer und Winter ist es in Linz zwei Grad wärmer als in Rohrbach. Das Mühlviertel besitzt mit der Feldaist-Senke auch die nach dem Eferdinger Becken niederschlagsärmste Region in OÖ.

Den Unbilden der Natur und des Wetters trotzt der Mühlviertler seit jeher - oder wie es Norbert Hanrieder in seinem Werk Mühlviertler Hymne formulierte:

Da Mühlviertla wehrt si ums Lebn
Wia na glei,
Und sehgtsn, ganz muntar und afglegt dabei;
Sche zah mag, a sei, treu is ar a:
Er laßt und vazagat net, wenns wiadawöll wa,
Und steht bamfest, liegt scha alls af da Stra.

Der Gesundheitsbericht des Landes OÖ zeigt für die Mühlviertler Bezirke im Vergleich zum Rest des Landes dennoch in einzelnen Punkten Auffälligkeiten: Bei Asthma-Fällen liegen Rohrbach, Freistadt und Urfahr ganz hinten, der Bezirk Perg im Mittelfeld. Anders ist dies im Bereich Schlaganfälle bei Frauen zwischen 35 und 64: Da führt der Bezirk Rohrbach die oberösterreichische Rangliste an! Gleiches gilt für den Anstieg der Depressionen. Auch da liegt der Bezirk Rohrbach mit einem Zuwachs von 52 Prozent gegenüber 1997 an der Spitze. Weit abseits der Spitze liegt der Bezirk Urfahr-Umgebung, wenn es um die ärztliche Versorgung geht: Kommen auf einen praktischen Arzt im Landesschnitt 1340 Patienten, sind es im Bezirk Urfahr-Umgebung 1998! Ähnlich das Bild bei den Fachärzten: Da muss einer in Urfahr-Umgebung 3360 Patienten versorgen, im Landesschnitt dagegen nur 1047.

Die Tourismuswirtschaft des Mühlviertels wirbt heute mit "Wandern, Walken, Wohlfühlen", mit
einem "einzigartigen Land mit herzlichen Leuten" - kurz zusammengefasst im Slogan "merk-würdiges Land". Norbert Hanrieders Slogan hätte zwar nie auf einem Plakat Platz gehabt, ist aber dennoch nicht zu verachten. Er wirbt in der "Mühlviertler Hymne" mit folgenden gereimten Worten:

Ös Leutl van Inn, va dar
Enns, va da Traun
Kemts her da, mir lassn
eng`s Hoamatl schaun.
Ja mei, wird aft hoaßn,
d` Roas hat uns net kränkt,
Eng hat ja da Himml was
Bsunders da gschenkt.
Va heut an wird bessa van


Essay von Harald Gruber, aus dem "Mühlviertel Volksblatt", vom 3. Juni 2004.