Der Konkurrent
Sollte mit schöpferischen Gaben
Dein Gott dich ausgezeichnet haben,
Und hast, was er in dich gelegt,
Du treu und arbeitsam gepflegt,
So könntest du bescheiden denken,
Man müßte dir die Ehre schenken
Und für dein Können und dein Streben
Dir die verdiente Geltung geben.
Doch hast du was du nicht bedacht
Die Rechnung ohne Wirt gemacht:
Denn Eifersucht und Geltungsdrang
Der andern ruhn ja niemals lang.
Du wirst gewarnt, versteckt und leise:
Verletze ja nicht unsre Kreise!
Dein Können, das verzeiht man nicht!
Stell untern Scheffel drum dein Licht!
Denn, weh dir, Mensch, wenn man erkennt,
Du kannst mehr als dein Konkurrent!
Der Erfolglose
Das Leben schwindet, Jahr um Jahr verstreicht
Was hast du an Erfolgen denn erreicht?
Du schaust zurück, und du gestehst beklommen:
Man hat von dir noch kaum Notiz genommen!
Indes um andre Weihrauchwolken wallen,
Bist du der Mitwelt noch nicht aufgefallen.
Wenn so sich deine Züge trüb umdüstern,
Will ich dir leise in die Ohren flüstern:
Heut nützen wenig alle Geistesgaben,
Beziehungen mußt du haben!
Der Konzertbesucher
Der bildungsbeflissne Herr Ehrenwert,
Mein Nachbar von drüben, war heut´ im Konzert.
Doch als ich ihn fragte nach seinem Erleben
Und wie es gewesen und was man gegeben,
Da wußte der Gute darauf nichts zu sagen,
Er mochte kein eigenes Urteil wagen.
Er muß wohl erst morgen die Zeitung lesen,
Dann kann auch er sagen, wie es gewesen.
Alle 3 Gedichte stammen aus
Gereimte Ungereimtheiten (1993) von Otto Jungmair
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